Die Sache mit der Motivation oder warum der Faule Bock nicht vorwärts geht

Der Warmblüter Winni dreht im Sand schlurfend seine Runden in der Reithalle, der Reiter oben drauf müht sich mit Gerte und Sporen ab das Tier, welches ihm gerade mit gefühlten 50Kilo auf der Hand liegt, irgendwie am Laufen zu halten. Hört er mal kurz auf zu treiben, so pariert das faule Tier direkt zum Schritt durch und wird prompt vom dicken Haflinger Manfred überholt, der leichtfüßig mit lächelndem Reiter seine Runden dreht.
Woran also liegt es nun, dass der langbeinige Winni, der eigentlich „Win for me“ heißt, so natürlich keinen Blumentopf gewinnt, während der dicke Manfred absolut problemlos seine überschüssigen 50 Kilo durch die Halle trägt?
Pferde sind uns Menschen gar nicht so unähnlich. Sie gehen ihren Grundbedürfnissen nach, freuen sich über Dinge die sie toll finden und sind genervt von Dingen die keinen Spaß machen oder gar Schmerzen verursachen. Doch weder wir noch unsere Pferde können unser Leben ausschließlich mit den Dingen verbringen, die wir super gerne tun. Deshalb müssen wir uns einen sinnigen Grund suchen, die Dingen zu tun, die wir nicht gerne tun.
Wir tun also Dinge aus verschiedenen Gründen:
A: weil sie Spaß machen und/oder weil sie uns gut tun
B: weil wir sie tun müssen
C: weil uns etwas passiert wenn wir sie nicht tun
A sind tolle Sachen, B ist neutral und C ist etwas vollkommen negatives.
A sind positive Gefühle, die wir gerne tun. Wir haben Motivation sie zu tun.
B haben wir akzeptiert, denn es ist nunmal so
C verursacht Ängste und Stress, wir tun es nicht weil es toll ist sondern weil wir Angst haben, was passiert wenn wir sie nicht tun.
Widersetzliche und übersensible Pferd gehören meist Kategorie C, manchmal auch B an.
Faule/unsensible Pferde wie Winni der Kategorie B, Motivierte, leichtrittige wie der dicke Manfred befinden sich in Kategorie A .
Doch wie schaffen wir es nun, ein Kat. C Pferd zu einem Kat. A Pferd werden zu lassen?
Wir sorgen dafür, dass das, was wir von ihnen wollen, einen Positiven Effekt hat.
Doch wie schaffen wir diese Motivation?
Gehen wir wieder zurück zum Beispiel Mensch:
Max arbeitet seit mehreren Jahren in der gleichen Firma. Er erledigt seinen Job, aber auch nur das, was er wirklich muss. Zu Hause wartet niemand auf ihn, er hat kein Geld um etwas zu unternehmen und langweilt sich. Sein Lohn reicht zum Leben aber nicht für viel mehr.
Nun sucht sein Chef das Gespräch. Er bietet Max ein Benefit an: Ein Kunde möchte Ende der Woche 10 Objekte kaufen. Schafft er es, seine Arbeit zu steigern und alle 10 Objekte bis Ende der Woche fertigzustellen, so erhält er eine Einmalzahlung in Höhe von 20% seines Lohnes.
Max hat eine Motivation – er will zeigen, dass er es schaffen kann und sich das zusätzliche Einkommen sichern.
Lena hat einen sicheren Job und verdient hervorragend. Geldprobleme hat sie keine, dafür aber kaum Freizeit, da sie als Leitende Angestellte viel zu tun hat. Ihr Chef bekommt dies natürlich mit und bietet Lena kurz nach Dienstbeginn an, dass sie nur noch die fälligen Akten abarbeiten soll und dann Feierabend machen kann.
Lena hat eine Motivation – sie beeilt sich und hat heute 4 Stunden früher Feierabend.
Max und Lena sind beides Menschen. Beide sind Angestellt. Beide bringen mehr Leistung wenn sie entsprechend motiviert sind. Denkt ihr, Max hätte die gleiche Leistung erbracht wenn man ihm anstelle der 20% einfach einen früheren Feierabend angeboten hätte? Und hätte Lena so effizient gearbeitet, wenn sie dafür im Gegenzug 20% Lohn zusätzlich erhalten hätte?
Ihr merkt also, es gibt kein Patentrezept, wie genau man vorgehen muss.
Wichtig ist aber immer eines: Jeden noch so kleine positive Veränderung loben! Das Lob kann hierbei vielfältig ausfallen, da jedes Pferd Vorlieben/Abneigungen hat:
Am hingegebenen Zügel stehen als Pause:
Für den Dicken Manfred wäre es nichts, denn er steht nicht gern still.
Winni hingegen findet Pausen super und hat einen Anreiz gefunden.
Zügel hingeben und Strecken lassen:
Winni hält sich im Genick und Hals fest, er muss erst lernen, dass er sich ins Vorwärts-Abwärts dehnen soll ohne sich dabei auf die Hand zu legen.
Der Dicke Manfred hat dies bereits gelernt. Er dehnt die zuvor durch Selbsthaltung angestrengte Oberhalsmuskulatur.
Leckerlie abholen:
Der Dicke Manfred ist dick und verfressen. Er würde vermutlich dauernd nach Leckerlies betteln.
Winni hingegen findet Leckerlies total Klasse, wird dadurch aber nicht zu dick oder unaufmerksam. Hier können „Kekse“ wunder wirken.
Stimmlob:
Winni ist trotz seiner abgestumpften Reiteigenschaften sehr interessiert an Geräuchen. Er findet es total cool wenn man ihn beachtet und versteht schnell, dass ein „guuuut“ etwas tolles ist, denn er bekommt es oft in Zusammenhang mit einer Pause die er ebenfalls ziemlich cool findet.
Manfred ist recht fein, ihn nervt das ständige Gebrabbel seiner Reiterin die ihm tagtäglich ihre halbe Lebensgeschichte erzählt – wenn dann mal ein „guuuut“ kommt überhört er das meistens – ist ja nur eines von vielen Wörtern.
Mähnenkamm kraulen:
Der dicke Manfred hat auch eine dicke Mähne. Die juckt natürlich auch immer mal, gerade im Sommer wenn er darunter schwitzt. Kraulen findet er super, zudem entspannt es auch noch die Muskulatur.
Winni hingegen ist durch das ständige verklemmte Geschlurfe verspannt. Die Muskulatur schmerzt – ein durchkneten ebendieser ist erstmal unangenehm weshalb es keinesfalls als Lob angesehen wird.
Um nun jedoch überhaupt dazu zu kommen, eine positive Reaktion loben zu können, so muss diese natürlich erstmal herbeigeführt werden. Hier bei ist vor allem wichtig herauszufinden, wieso der große Winni so demotiviert ist. Hat er Schmerzen? Drückt der Sattel? Stört ihn der Reiter durch schlechten Sitz und/oder falsche Hilfengebung in der Bewegung? Brachte er früher viel Leistung für die er nie gelobt wurde? Würde er vielleicht viel lieber Springen anstatt tagtäglich Kringel durch den Sand zu schlurfen? Erhält er nicht ausreichend Futter und hat somit auch keine Energie?
Unser dicker Manfred hingegen wurde mit viel positiver Verstärung zu einem feinen Reitpferd ausgebildet. Er hat gemerkt, dass es viel einfacher ist, den Reiter mit schwingendem, lockerem Rücken zu tragen und auf feine Signale zu reagieren. Das Reiten ist für ihn nicht sonderlich anstrengend, da er langsam und schonend ausgebildet wurde und ausgeprägte Muskeln an den richtigen Stellen hat. Sein Sattel passt, der Zaum behindert seine Bewegungs- und Atmungsfreiheit nicht und der Reiter ist bemüht kein Fremdkörper sondern ein Teil von ihm zu sein.
Er lobt Manfred viel und sieht ihn als gleichwertigen Partner an.
Winni und Manfred sind natürlich nur fiktive Charaktere, sollen aber verdeutlichen, dass Gangveranlagung und Exterieur nicht immer ausschlaggebend für Rittigkeit und Motivation sind. Und faule Pferde – die gibt es nahezu nicht – lediglich Motivationslose.
Fairness, Empathie und Individualität sind die Schlüsselwörter.
Ist euer Pferd „faul“? Geht nicht vorwärts? Ist fest im Maul und ignoriert den Schenkel?
Dann sucht euch professionelle Hilfe! Und achtet dabei darauf ob der Trainer nur fordert und das Pferd zur Leistung zwingt oder ob er auch viel lobt, Pausen gönnt und gewillt ist, Motivation zu schaffen. Prüft, ob er auf das Pferd eingeht oder es als Maschine sieht, die zu funktionieren hat.
Viele Ursachen und nützliche Tipps gibt es demnächst im Artikel zum Thema "Der Schritt - Die unscheinbarsten Gangart mit dem größten Stellenwert und der häufigsten Mängel in Punkto richtiger Hilfengebung."

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